Technische Ursachen kontaminierter Kabinenluft

Das Triebwerk

Die Versorgung der Flugzeugkabine mit Atemluft erfolgt in den meisten Flugzeugen über die so genannte Zapfluft („Bleed-Air“), die direkt aus dem Kompressor-Bereich der Triebwerke ungefiltert in die Flugzeugkabine geleitet wird. Das Triebwerk hat Kompressor- und Turbinenstufen, die miteinander durch Wellen verbunden sind.

Quelle: GCAQE Brochure page 4

Diese Wellen müssen  gelagert und geschmiert werden. Dazu wird ein spezielles, nur für die Luftfahrtindustrie zugelassenes Triebwerksöl verwendet, welches mit Additiven aus der Gruppe der Organophosphate und Lösemittel angereichert ist. Siehe EASA Pyrolyse-Studie Seite 93-96

Damit das Öl dieser Wellenlager nicht austreten kann, gibt es sogenannte Lagergehäuse, die mit Labyrinth- oder auch Carbon-Dichtungen versehen sind. Die verwendeten Labyrinth Dichtungen im Triebwerk lassen durch ihre Beschaffenheit aber immer eine geringe Leckage zu. Es sind regelmäßige und intensive Wartungsintervalle nötig, um abgenutzte Dichtungen im Kompressorbereich des Triebwerkes auszutauschen und das Verbrennen von Öl, welches durch die Abnutzung vermehrt austritt, zu vermeiden. 

Alleine durch die jeweilige Komprimierung in den einzelnen Kompressorstufen wird die vom Triebwerk angesaugte Luft auf bis zu 450 Grad Celsius erhitzt. Die eigentliche Verbrennung findet erst viel später in der sog. Brennkammer statt. Dann wird die Luft an den jeweiligen Zapfluftstellen im Kompressor abgenommen und über einen Vorkühler auf rund 200 Grad Celsius abgekühlt, bevor sie weiter in die Kabine geleitet wird.

Das bedeutet, dass durch diese Erhitzung im Kompressor vorhandene Stoffe, wie z.B. Triebwerksöl, Hydraulikflüssigkeit, Kerosin oder Abgase von Kerosin und auch Enteisungsflüssigkeit einen sogenannten Pyrolyse-Prozess durchlaufen.

Bei der Pyrolyse werden Stoffe thermisch behandelt und durch teilweise Verbrennung chemisch umgebaut. Triebwerksöl hat z.B. einen Rauchpunkt von 270Grad. Wie beim erhitzten von Öl in der Pfanne, ist das Einsetzen von Rauch der Beginn einer anfänglichen Verbrennung (unvollständige Verbrennung). Diese setzt u.a. das geruchlose Kohlenmonoxid als Indikator für den Vorgang frei. CO hat eine 230-fache Affinität zum sauerstofftransportierenden Hämoglobin als Sauerstoff und ist hochtoxisch.

Auch bei einer versehentlichen Überfüllung mit Triebwerksölen, vor allem aber durch eine mittlerweile immens verlängerten Laufzeit der Triebwerke, bevor diese technisch generalüberholt werden, kann Öl verbrannt und die Dämpfe über die Zapfluft in die Kabinenluft geleitet werden. Die defekten Pressdichtungen können nur durch einen Ausbau des Triebwerkes ersetzt werden, was entsprechend zeitaufwendig ist.

Änderung des Wartungsverfahrens

Früher wurden Triebwerke alle 3 bis 4 Jahre general überholt, d.h. die Triebwerke wurden vom Flugzeug abgebaut, zum Überholbetrieb gebracht und dort in ihre Einzelteile zerlegt. Jedes Teil wurde befundet und beim nachfolgenden Zusammenbau wurden immer neue Lagergehäusedichtungen eingebaut. Dieses Verfahren gewährleistete in der Regel einen sorgenfreien Betrieb hinsichtlich des zu erwarteten Verschleißes dieser Dichtungen bis zum nächsten fälligen Überholintervall.

Diese damaligen Überholintervalle für die jeweiligen Triebwerke und deren zugeordnetem Einsatzprofil (Kurzstrecke, viele Starts, Langstrecke wenig Starts), sind heutzutage nicht mehr offiziell zu recherchieren.

Mitte der 90er Jahre befassten sich Experten im Auftrag der amerikanischen Luftfahrtbehörde FAA damit, Triebwerke anstatt weiter in regelmäßigen Abständen zu „überholen“, dem schon damals längst bei der Flugzelle und deren Systeme verwendeten Wartungsverfahren der sog. „fortlaufenden Nachprüfung“ oder im Englischen: „Continous Airworthiness Procedure“ zu überführen.

Die Triebwerke wurden schließlich immer verlässlicher und bei den Überholungen wurden kaum noch Beschädigungen festgestellt. Daraufhin forderte die Behörde eine Etablierung von Maßnahmen, die die Betriebssicherheit dieser Triebwerke gewährleistet. Also wurden an jeder Kompressor- und Turbinenstufe, sowie auch in der Brennkammer sog. Boroskop-Öffnungen angebracht. Auf diese Weise kann das Wartungspersonal nun innere Bereiche des Triebwerkes mit Hilfe eines Boroskops von außen befunden, ohne dass es gleich zerlegt werden muss, ergänzend wurden Boroskopiepläne erstellt.

Alle relevanten, am Triebwerk abgenommenen, technischen Parameter werden gespeichert und kontinuierlich ausgewertet, um frühzeitig gewarnt zu werden, wenn sich abnormale Werte einstellen. Heutzutage werden diese Werte sogar schon telemetrisch zu den zuständigen Wartungsabteilungen in Echtzeit übermittelt.

Ergänzend wurden regelmäßige Ölkontrollen eingeführt, um frühzeitig einen übermäßigen Verschleiß zu bemerken. Aufgrund der verschieden verwendeten Legierungen der Bauteile lassen sich Abriebe oft direkt einem gewissen Bauteil zuordnen.

Durch die Einführung dieser Maßnahmen, konnte man also weg von den kostenaufwändigen, regelmäßigen Überholintervallen hin zu der fortlaufenden Nachprüfung wechseln. So hat z.B. der Triebwerkshersteller General Electric im Jahre 2009 der Fluggesellschaft TUI-Fly gratuliert, dass eines ihrer CFM 56 Triebwerke mittlerweile schon 40.000 Flugstunden (ca. 9-10 Jahre) an der Tragfläche verblieb, ohne jemals eine Triebwerkswerkstatt gesehen zu haben. Bis zum Jahr 2012 absolvierten sie sogar 50.000 Flugstunden. Kurz, man kann sagen, dass Triebwerke heutzutage oft das vier- bis fünffache der Laufleistung absolvieren. Damit gibt es aber auch kein präventives Wartungsverfahren, welches unfallartige Expositionen verhindern könnte.

Die APU

Die APU (Auxiliary Power Unit) ist das Hillfstriebwerk und ermöglicht es, dass das Flugzeug autonom in Betrieb ist, ohne auf ein Bodenstromaggregat, eine externe Klimaanlage oder einen Hochdruckluftstartwagen angewiesen zu sein. Sie befindet sich normalerweise im Heck des Flugzeugs.  Die APU  versorgt, sobald sie läuft, die Flugzeugsysteme mit elektrischer Energie sowie mit Zapfluft für die Klimatisierung und den Triebwerksstart.

Einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Kontamination der Kabinenluft trägt die APU. Wie beim Triebwerk kann auch austretendes Öl in der APU zur Verschmutzung der Klimaanlage, des sog. Environmental Control Systems (ECS), führen. Zusätzlich kann über den Flugzeugrumpf Hydraulikflüssigkeit aus dem Fahrwerk in die APU gelangen und somit das ECS und die Kabinenluft kontaminieren. Es können  aber auch Öl, Treibstoff, Enteisungsflüssigkeit und externe Abgase oder Dämpfe über die APU angesaugt  und über das ECS weiter in die Kabinen geleitet werden.  Airbus warnt in seinem Magazin „FAST“ explizit vor diesen Möglichkeiten und empfiehlt regelmäßige und intensive Wartung der APU.

Dekontaminierung des ECS

Für den Fall der Kontaminierung des ECS,  haben die Hersteller in der „Decontamination procedure“ ganz klare Wartungsmaßnahmen festgelegt:

Zunächst muss die Undichtigkeit identifiziert werden, also welches Haupttriebwerk ist betroffen, manchmal kann es auch das Hilfstriebwerk (APU) sein.

Dann muss diese Undichtigkeit eliminiert werden. Dazu muss die betreffende Dichtung ausgetauscht werden, was sich im eingebauten Zustand als schwer bis unmöglich erweisen könnte. Danach wird das ganze Triebwerk zur Überholung geschickt.

Anschließend soll die vorhandene Kontamination im ECS restlos entfernt werden. Gegebenenfalls sollen die Leitungen und Anschlüsse mit Lappen ausgewischt werden, wenn als notwendig erachtet auch unter Einsatz von Lösemitteln.

Das TV-Magazin „Report Mainz“ berichtete im Januar 2020 zum Thema „kontaminierte Kabinenluft“. Die Reporter konnten sehr eindrücklich zeigen, wie verschmutzt die Leitungen der Klimaanlage tatsächlich sind. Insbesondere wurde aber herausgearbeitet, dass die Leitungen so verbaut sind, dass man sie überhaupt nicht reinigen kann, weil sie unzugänglich sind. Es dürfte spätestens hier klar geworden sein, dass die Belüftungsanlage für die Kabinenluft eine Fehlkonstruktion ist.

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Kabinenluft Kontaminiert durch Öldämpfe aus der Zapfluft

kein Schutz für Passagiere!

Quelle: Vereinigung Cockpit

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