Aus heutiger Sicht kann kein vernünftiger Zweifel mehr daran bestehen, dass Fume Events regelmäßig als unfallartige Ereignisse auftreten und Gesundheitsstörungen bei Crew und Passagieren hervorrufen. Die Lufthansa Group selbst bestätigte erst im Januar 2020 bei einem Workshop der EASA zu „Cabin Air Quality“, dass sie ca. 2 Fume Events am Tag verzeichnen. Das sind über 700 Fume Events im Jahr alleine bei Lufthansa Group, und das ohne eine anerkannter Maßen anzunehmende Dunkelziffer.
Es ist technisch hinreichend bewiesen, dass Fume Events mit hochtoxischen Expositionsszenarien einhergehen.
Der Wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung legt in seinem Sachstandsbericht „Maßnahmen gegen sogenannte Fume Events“ aus dem Jahr 2018 bereits die Fragestellung nach gesetzlichen Vorgaben für Filtereinbauten und Maßnahmen anderer Staaten ausführlich dar:
„Es müssen keine Vorgaben geändert oder neu eingeführt werden, sondern lediglich schon bestehende umgesetzt werden. Diese sind beschrieben in den EU Direktiven 98/24/EC und 89/391/EEC[8] und gelten für Deutschland, sowie jeden anderen EU-Staat.
Beschreibung: Measures to prevent exposure to chemical agents in the aircraft air supply must be defined, classified, and ranked to the classic occupational hygiene „hierarchy of controls”.
This strategy is already required of EU employers according to Article 6 of Directive 89/391/EEC, according to the following structure:[…] Hierarchy of controls:
- The most effective option is to either eliminate the exposure hazard or substitute a hazardous compound for a less hazardous compound;
- The next best option, if the exposure hazard cannot be eliminated, is to apply engineering control measures intended to mitigate the chemical exposure hazard by addressing the exposure at the source;
- If engineering control measures are not sufficient, then administrative measures are useful to help to control/monitor the exposure;
- And, as a last resort when exposure cannot be adequately controlled by other means, personal protective measures, including the use of personal protective equipment (PPE), are instituted. Where PPE is given to workers, they must be trained in its use.
Das heißt, laut Schritt 1 „Hierarchy of Controls“, dürfte das Problem gar nicht existieren, da es bereits Alternativen zur Zapfluft (bleedair) gibt. Nur wenn das Problem technisch gar nicht behoben werden könnte (und dies müsste der Arbeitgeber begründen), müssten spätestens bei Schritt 2 Filter eingesetzt werden. Wichtig: Verantwortlich für die Umsetzung dessen, sind nicht die Hersteller, sondern die Arbeitgeber! Wie bereits erwähnt, ist es aber technisch möglich, das Problem schon bei Schritt 1 über die bleedfreie Technologie (Boeing 787) zu lösen. Auch Nachrüstungen für bestehende Flugzeuge sind technisch möglich wie ATR[…]- und Airbus 320[…]-Tests bereits vor Jahren erfolgreich gezeigt haben. Die beiden EU-Direktiven werden in allen anderen Industrien sehr streng umgesetzt und bei Verstößen mit Bußgeldern geahndet (Chemieindustrie, Gefahrgüter, Lärmschutz usw.). In der Luftfahrt ist diese Umsetzung bisher jedoch nicht geschehen, da laut Hersteller und Arbeitgeber keine gesundheitsschädliche Kabinenluft existiert. Dies führt dazu, dass die „Hierarchy of Controls“ vermeintlich nicht umgesetzt werden muss. Hier scheitert neben Herstellern und Arbeitgebern eindeutig auch der Gesetzgeber an der Einhaltung obenstehender Vorgaben. Weder die Zulassungsbehörden prüfen auf die Einhaltung, noch die Überwachungsbehörden sehen sich in der Pflicht.“
Was in der Fachöffentlichkeit seit Jahren diskutiert wird, wurde zuletzt in dem am 28.01.2020 ausgestrahlten Bericht in dem TV Magazin „Report Mainz“ zum Thema „kontaminierte Kabinenluft“ (https://youtu.be/jHGu83gC6V4 ), dargestellt, nämlich dass die Belüftungsanlage für die Kabinenluft eine klare Fehlkonstruktion ist.
Die Certification Specification for Large Aeroplanes, insbesondere CS-25.1309 (c), CS 25.831 und CS 25.832, definieren die Erfordernis, dass auch während des Fluges nachweisbar sein muss, dass keine „gefährlichen Substanzen“ in der Atemluft enthalten sein dürfen. Zusätzlich müssen Warnsysteme (Sensoren) verbaut sein, die der Crew ermöglichen, bei Gefahr durch Kontamination der Kabinenluft und damit verbundener Handlungsunfähigkeit, Sauerstoffmasken aufzusetzen, um einen sicheren Weiterflug zu garantieren. In diesem Zusammenhang hat die BFU bereits 2014 ihrer Kabinenluftstudie 2014 gefordert, technische Umrüstungen durch umfangreiche medizinische Untersuchungen zu ergänzen. Diese bereits vorhandenen Warnsysteme müssen insbesondere im Hinblick auf die aktuell bestellten Flugzeuge (Airbus) berücksichtigt werden. Eine Auslieferung mit Zapfluftsystem darf nicht mehr in Frage kommen.
Die gesundheitlichen Auswirkungen von Fume Events sind seit Ende der 1950er Jahre dokumentiert. Dies wurde auch schon in zahlreichen Studien beschrieben. Insbesondere konnte bei Betroffenen mittels Human Biomonitoring unfallzeitnah eine innere Schadstoffbelastung objektiviert werden, die in einer nicht-exponierten Kontrolle nicht zu finden und damit eine ubiquitäre Hintergrundbelastung nicht zu plausibilisieren war. Bis heute hat die BG Verkehr weder unfallzeitnahes Human Biomonitoring noch symptombezogene Untersuchungen in ihrem Leistungskatalog für Heilbehandlung nach Fume Event aufgenommen (https://www.bg-verkehr.de/redaktion/medien-und-downloads/informationen/branchen/luftfahrt/standardverfahren-fume-events.pdf).
Wir fordern die EU Kommission, die Bundesregierung und alle Verantwortlichen auf im Rahmen der Gleichbehandlung der zu bedenkenden Schutzgüter das Finanzpaket für die Lufthansa Group nicht nur an Klimaziele zu binden, sondern insbesondere auch an die bedingungslose Umsetzung geltenden EU-Rechts hinsichtlich baulicher Maßnahmen zur Vermeidung von Kabinenluftzwischenfällen und an den Gesundheitsschutz der gesamten fliegenden Bevölkerung. Der Wirtschaftsstandort Deutschland kann und darf sich das Versäumnis nicht leisten, bereits vorhandene Technik zum Schutz von Crew und Passagieren nicht anzuwenden und weltweit führende medizinische Expertise zur Aufklärung der gesundheitlichen Folgen nicht zu fördern.
Unsere französischen Nachbarn haben sich das Ziel gesteckt den direkten europäischen Konkurrenten, Air France-KLM, zur nachhaltigsten Airline-Gruppe der Welt zu machen.
Wir sind uns sicher, dass Deutschland dieses Vorhaben noch durch die zum Wohl von Fluggästen und Crewmitgliedern geforderten Gesundheits- Maßnahmen ergänzen kann und „unsere“ Lufthansa zu dem macht, wofür sie international bekannt ist, nämlich die gesündeste und damit auch sicherste Airline der Welt.
Gez. P-CoC e.V. Vorstand